Die Niedersächsischen Landschaften sind als Ständevertretungen im frühen Mittelalter entstanden. Zusammengesetzt aus den drei Kurien „Klerus“, „Landadel“ und „Bürgerschaft“ bildeten sie die örtlichen Repräsentanten gegenüber den Fürsten – und stellten damit eine erste Form demokratischer Mitverwaltung dar. So besaßen die Landschaften eigene Rechte, z. B. das Recht der Steuerbewilligung für den Fürsten. Nach den napoleonischen Kriegen (1800 bis 1814) trat die „Vertretung der freien Bauern“ als neuer Stand an die Stelle der aufgelösten Kurie des „Klerus“.
Heute ist die Calenberg-Grubenhagensche Landschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und steht unter der Aufsicht des Landes Niedersachsen. Sie ist durch Artikel 72 der niedersächsischen Landesverfassung in ihrem Bestand geschützt.
Ihren Sitz hat die Calenberg-Grubenhagensche Landschaft im Börsengebäude in Hannover, An der Börse 2. Errichtet im „Tudor-Stil“ ist das Gebäude eines der wertvollsten Baudenkmäler in der Innenstadt Hannovers.
Schon der Name deutet daraufhin, dass es sich hier um ein aus mehreren ursprünglich eigenständigen Teilen zusammengewachsenes Fürstentum handelt. Dies steht mit den häufigen Landesteilungen der Welfen im Mittelalter im Zusammenhang. So sind im Zeitraum zwischen 1202 und 1495 insgesamt 12 Teilungen vorgenommen worden.
Bei einer dieser Teilungen gelangte Herzog Erich I. im Jahre 1495 in den Besitz von zwei geographisch getrennten Landesteilen. Der eine, nördlich von Ith und Hils gelegen, war das 1432 bei einer Teilung entstande Fürstentum Calenberg. Herzog Erich nannte es „Dat Land twischen Deister und Leine, dat is dat rechte, dat ik meine!“ Der andere, im Süden gelegene Bereich umfaßte das bereits seit 1345 bestehende Fürstentum Göttingen. Für das neu gebildete Fürstentum Calenberg-Göttingen bürgerte sich relativ schnell der Name „Fürstentum Calenberg“ ein.
Zu einem größeren Gebietszuwachs kam es 1665, als das Fürstentum Grubenhagen an Calenberg fiel. Grubenhagen war das Ergebnis einer Teilung des Fürstentums Braunschweig im Jahre 1291 und umfaßte zwei räumlich getrennte Gebiete um Einbeck und im südlichem Harzvorland sowie einen Bereich des Harzes mit drei Bergstädten.
Im Fürstentum Calenberg und im Fürstentum Grubenhagen bestanden Landstände, die auch über die Vereinigung des Jahres 1665 hinaus getrennt blieben. Erst 1801 vereinigten sich beide Landschaften zur Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft. Für die Calenbergischen Landstände der Prälaten, Ritter und Städte sind seit 1542 gemeinsame Landtage nachgewiesen, die in der ersten Zeit unter freiem Himmel stattfanden. Als Tagungsorte werden Elze, Gronau, Pattensen und Hemmendorf genannt und ab 1711dann regelmäßig Hannover. Die Grubenhagenschen Landtage fanden unter dem Vorsitz eines Vertreters der Prälatenkurie anfangs in Osterode, Herzberg oder Einbeck statt, seit 1753 dann abwechselnd in Einbeck und Osterode.
Beide Landschaften hatten mit Landsyndikus, Landrentmeister, Schatzeinnehmer und Schatzsekretär eigene Bedienstete. Letzteren oblag die Einnahme und Verwaltung der Steuern. Im Fürstentum Calenberg lagen die Kontrolle und Verantwortung darüber beim Schatzkollegium, dessen Vorsitzender der Abt von Loccum als 1. Land- und Schatzrat war. Zwischen 1732 und 1770 übte Georg Wilhelm Ebell dieses Amt aus. Unter seiner Federführung wurde das Steuerwesen reformiert und eine Brandkasse gegründet. Dieser letzteren Aufgabe lohnt es sich, einige Aufmerksamkeit zu schenken.
Man muss sich dazu die Situation in Niedersachsen vor dem Jahre 1750 vorstellen. Wem in jener Zeit ein Blitz das Haus in Brand setzte, war arm dran. Sein Hab und Gut war zerstört. Er bekam für sich und seine Frau und die oftmals vielen Kinder von den Behörden einen Brandbrief ausgehändigt. Das war eine amtliche Berechtigung zum Betteln! Ein bis dahin selbständige Bauernfamilie war dadurch urplötzlich gesellschaftlich tief abgestürzt und zur Bettlerfamilie geworden. Der Loccumer Abt Georg Ebell nahm sich solches Elend zu Herzen und griff Gedanken auf, die in jener Zeit in der Luft lagen: Er gründete mit Genehmigung des Kurfürsten von Hannover und Königs von England Georg II. eine Brandversicherung. Solche Versicherungen hatte schon Leibniz durchgerechnet und sie waren in Hamburg, Berlin und Magdeburg Jahre zuvor schon entstanden. Aber sie schafften für die ärmeren Leute keine wirklichen Veränderungen. Das Verdienst des Loccumer Abtes, der gleichzeitig Präsident der Calenberger Landschaft und Direktor der kirchlichen Behörde beim Kurfürsten, des Landeskonsistoriums war, ist es nun, dass er durch äußerst geschickte Maßnahmen seine neue Feuerversicherung arbeitsfähig und populär machte. Innerhalb kürzester Zeit wurde in den Hannoverschen Landen verfügt, dass jeder kleinere Landwirt zwangsweise in diese Versicherung einzutreten habe. Die größeren Landwirte und Güter konnten sich freiwillig entscheiden. Durch eine sehr menschenfreundliche Schadensabwicklung sorgte Ebell für wachsendes Vertrauen zu der neuen Einrichtung. Kaum war der Hof abgebrannt, war der Kommissär der Brandkasse zur Stelle und bezahlte den Schaden. Das Geld dafür nahm Ebell zunächst aus den damals vollen Kassen der Landschaft. Die dadurch entstehenden Schulden wurden später durch die Jahresbeiträge der Versicherten wieder eingenommen. Solche Maßnahmen hatten zur Folge, dass auch jene, die freiwillig eintreten konnten, merkten, wie attraktiv diese neue Einrichtung auch für sie war. In den nächsten Jahren folgten die anderen Landschaften diesem Beispiel.
Die Brandkasse war nicht die einzige dem Gemeinwohl verpflichtete Gründung, die Abt Ebell durchführte. Bereits 1734 war in Moringen ein Waisenhaus eingerichtet worden, das u.a. das Druckprivileg für Gesangbuch, Katechismus und Kalender besaß. Zur Ausnutzung dieses Privilegs richtete die Landschaft eine eigene Druckerei in ihrem Ständehaus in Hannover ein. An der neugegründeten Universität in Göttingen wurden ab 1733 Freitische für weniger bemittelte Studenten eingerichtet. 1766 kam es zur Gründung einer bis 1851 tätigen Witwenkasse.
Wirken und Selbstverständnis der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft lassen sich auch an Bauwerken in Hannover ablesen. Dem Besucher der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis empfängt über dem Eingangsportal das Wappen der Landschaft. Der zum Katholizismus konvertierte Herzog Johann Friedrich hatte 1665 die Schloßkirche den Kapuzinern zur Verfügung gestellt. Mit großer Sorge sah die Landschaft die Gefahr der Rekatholisierung des Landes. Um dem entgegen zu wirken und um eine Kirche für die protestantische Hofdienerschaft bereitzustellen, förderte die Landschaft den Neubau der Pfarrkirche auf der Calenberger Neustadt mit einem erheblichen Geldbetrag.
Bereits seit 1636 ist mit der „Fürstlich Braunschweigisch-Lüneburgischen Cantzeley“ zwischen Kreuzkirche und Ballhof ein Haus bekannt, daß auch Zusammenkünften der Landstände diente. Das Selbstbewußtsein der Landschaft wurde jedoch erst 1710 mit einem eigenen Ständehaus an der Osterstraße augenfällig. Der Architekt Remy Rouge de la Fosse errichtete ein barockes dreigeschoßiges Stadtpalais, dessen beide Flügelbauten einen Hof umschlossen. Von 1815 an diente das Ständehaus auch als Sitz der Allgemeinen Ständeversammlung, die das Haus im Jahre 1844 dann erwarb. Am Theaterplatz erbaute Kriegsbaumeister Ernst Ebeling 1846 im Stil der Tudorgotik ein neues Landschaftliche Haus. Seitdem ist das Haus Sitz von Landschaft, Ritterschaft und Calenberger Kreditverein.
Heute ist die Calenberg-Grubenhagensche Landschaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes und steht unter der Aufsicht des Landes Niedersachsen. Sie ist durch Artikel 72 der niedersächsischen Landesverfassung in ihrem Bestand geschützt. Die Verfassung der Landschaft stammt aus dem Jahre 1863. Sie ist bislang nur geringfügig im Wortlaut verändert worden, ihre Anpassung an die Grundprinzipien eines Pluralen Rechtsstaates erfolgt im Wesentlichen durch ergänzende und erweiternde Interpretation.
Gegliedert ist die Landschaft in drei Kurien: Ritterschaft – Städte und ländliche Grundbesitzer, die nicht zur Ritterschaft gehören. Diese letztgenannte Kurie entstand bei der Reorganisation der Landschaften nach dem Wiener Kongreß von 1815, nachdem die Landstand der Prälaten in allen Landschaften entfallen war. Die Mitglieder dieser Kurie werden heute auf Vorschlag des Landvolkes von den Kreistagen der Kreise im Landschaftsgebiet gewählt.
Organe der Landschaft sind der Präsident in Personalunion mit dem Abt des Klosters Loccum, der Kleine und der Große Ausschuss sowie der Landsyndikus, der für die Geschäfte der laufenden Verwaltung verantwortlich ist. Gemeinsam mit der Ritterschaft der Hildesheimer Landschaft ist die Calenberg-Göttingen-Grubenhagensche Ritterschaft Träger des Calenberger Kreditvereins, einer Hypothekenbank mit Schwerpunkt im langfristigen landwirtschaftsbezogenen Kreditgeschäft.
Mit den Erträgen Ihres Vermögens, das überwiegend aus städtischem Grundbesitz besteht, fördert die Calenberg-Grubenhagensche Landschaft Menschen in Notlagen, z.B. Waisen, sowie kulturelle Zwecke. Dabei gehen die Zuwendungen z.B. an Chöre, Museen, Orts-Heimatpflege und regionale Künstler. Voraussetzung ist stets ein regionaler oder inhaltlicher landschaftlicher Bezug.